Der Auftraggeber hatte das Absageschreiben am 22.09.2020 in die Vergabeplattform eingestellt. Gleichzeitig erhielt der Bieter eine automatisch generierte E-Mail darüber, dass eine neue Information in seinem Plattform-Postfach bereit liege. Vier Tage später ging das Absageschreiben auch per Post zu. Der Bieter war der Auffassung, dass die Wartefrist erst mit der Postversendung begonnen habe und 15 Tage betrage, weil die Zustellung über die Plattform unwirksam sei. Er beruft sich dabei auf einen Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 29.03.2019 (Az.: Z3-3-3194-1-07-03/19). Doch die technischen Rahmenbedingungen liegen hier anders.
Im Bayerischen Fall wurde die Mitteilung, die auf dem Plattformserver liegt, für den Bieter nur auf sichtbar geschaltet. Sie verblieb jedoch im Verfügungsbereich des Absenders. Anders im saarländischen Fall: Hier hatte der Bieter mit dem Angebot formularmäßig den Zustellweg über die Plattform eröffnen müssen, er kann sich also nicht mehr darauf berufen, dass es für ihn keine Hol-Pflicht gebe, sein Plattform-Postfach zu leeren. Die verwendete Plattform verschiebt die Datei mit dem Absageschreiben in einen Server-Bereich, der vom Auftraggeber nicht mehr verändert werden kann. Damit ist die Textform gewahrt: Mit der Einlegung in das Bieterpostfach wird das Dokument unveränderlich. Somit sind beide Voraussetzungen an die Zustellung der Information erfüllt. Auftraggeber sollten sich also von ihrem Plattformbetreiber den genauen technischen Vorgang erläutern lassen, bevor sie Zustellungen ins Postfach vornehmen.